STRATO-ZERO
Bundes-Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttart, (Photo hlrs- seminarraum: ralph klohs)
Höchstleistungsrechenzentrum

Bauabschnitt III


Die architekturbezogenen Setzungen von Harald F. Müller spiegeln Öffnung der Forschung


Die charakterisierende Gestaltung am HLRS entstand in einem jahrelangen Prozess:Harald F. Müller entwickelte das Farbkonzept in enger Zusammenarbeit mit denArchitekten des Universitätsbauamts mit Fokus auf die künftigen Nutzer schonwährend der Bauphase. Kräftige Farben und glänzende Oberflächen tauchen dieGebäudeteile in unterschiedliches Licht, öffnen die Räume und zeigen irritierendeReflexionen. Sämtliche Farb- und Gestaltungselemente formulieren zugleicharchitektonischen wie inhaltlichen Ausdruck.
Mit dem neuen dritten Bauabschnitt öffnet sich die Forschung des HLRS derÖffentlichkeit und der Lehre. Wie auf den Wandflächen des ersten Bauabschnittsleuchtendes Pink mit der starker Farbwirkung und Reflexionen strahlt, ist der neueGebäudeteil durch kräftiges lichtvolles Cyanblau charakterisiert. Vollflächig aufWände aufgebracht, strahlt die Farbe über die Flure auf glänzend weiße Wände, diedas auftreffende Licht reflektieren. Die kräftigen Farben gehen weit über ihreWandflächen hinaus, verändern Raum und Nutzer, irritieren, wecken dieAufmerksamkeit. Der Seminarraum, der der Lehre als Öffnung der Forschung nachaußen einen signifikanten Ort gibt, wurde mit blauen Glaswänden gefasst, die, mitder Mischung aus Kunst- und eintreffendem Tageslicht, Lichtsituation undRaumwirkung stetig verändern.
Visuell verbunden ist der neue Bauabschnitt mit den bisherigen Gebäudeteilen auch durchdie Decke aus golden glänzenden Leisten, die sich durch das gesamte Gebäude zieht. Dieregelmäßig durchbrochene Spiegelung erstreckt sich über den zurückversetzten Eingängenbis in den Außenraum. Die glänzende Decke holt viel natürliches Licht in das Gebäude undverbindet das Gebäudeinnere der Umgebung. Zugleich spiegelt die Decke denarchitektonischen Raum, die verhältnismäßig geringe Geschosshöhe wird optisch erweitert,indem sie der Wahrnehmung die Spiegelung des Bodens als oberen Raumabschlussanbietet - die eigentliche Raumhöhe von nur drei Metern geht in ein weitaus größeresRaumgefühl auf.Während in dem zweiten Innenhof mit einem langen glänzend goldenen Zylinder aufleuchtend grünem Kunstrasen Irritation und Reflexion grundsätzliche Themen der Forschungin Gestaltung umgesetzt wurden, kommt im dritten Atrium ein neuer Aspekt hinzu: Diementale Öffnung wird explizit und in kulturgeschichtlichen Zusammenhang gestellt. Coup dedés - der Würfelwurf als Repräsentant des Zufalls. 1897 setzte Stéphane Mallarmé mit demtypografisch inszenierten Gedicht Un Coup de dés n'abolira jamais le hasard einenMeilenstein interdisziplinärer Kunst. Auf cyanblauem Tartangrund, der Schritte abfedert undGeräusche dämpft, liegen im neuen Innenhof des HLRS nun 14 weiße Betonkubenunterschiedlicher Größe in zufälliger Verteilung. Als korrespondierender Gegenpunkt zumSeminarraum bietet sich hier die Gelegenheit zu zwanglosem Austausch: die vier größtenWürfel haben ideale Stehpulthöhe, die drei mittleren laden ein, sich an ihnen anzulehnen, diesieben kleinsten fungieren als Sitzwürfel.
Im Modell 1:100 als erster Wurf des Künstlers so gefallen, bilden die Kuben mit demZufall einen Faktor ab, der rechnerbasiert nur bedingt darstellbar ist. Im Zufall wirkenalle die Wirklichkeit bestimmenden Faktoren zusammen, der Zufall bildet dieKomplexität der Welt exemplarisch ab. Aufgrund der zwei Wasserabläufengeschuldeten Neigung des Untergrunds liegen die Kanten und Flächen der Kubennicht perfekt im Wasser, wodurch die Bewegung der Positionsfindung und die Optionunzähliger Varianten anklingen.
Wie das Gebäude selbst zeichnen sich auch die architekturbezogenen Setzungenvon Harald F. Müller durch ihre Anschlussfähigkeit aus. Für diesen Ort, an demsteige Veränderung und Erweiterung immer schon mitgedacht werden und geistigeAgilität unabdingbar ist, hat der Künstler Anschlusspunkte in Form zweier CibaBleu angedacht. In ihrer Materialität spannen diese Flächenkörper den Bogen zu LeMonde flottant, dem bis zur Abstraktion vergrößerten Bild auf Cibachrometranspartent, das als begehbare Bodenplatte im ersten Innenhof liegt. Diequadratischen hochglänzenden Flächen der Ciba Bleu fungieren zum einen alsSchlusssteine, die die unterschiedlichen Elemente der architektonischen Gestaltungzusammenhalten, bilden zugleich aber konzeptuell die Grundsteine für neueArchitekturen und stehen als visuelle Formulierungen des unerschöpflichenPotenzials aller möglichen Bilder (resp. Daten) für die Zukunftsfähigkeit desHöchstleistungsrechenzentrums. Als konzeptuelle Elemente einerarchitekturbezogenen Bildsprache sind auch die Ciba Bleu als Teil der Architektur zuverstehen - der faktischen wie einer gedanklichen Architektur, die Refexion,Beweglichkeit und Zukunftsfähigkeit impliziert.

Text: Ines Zahler

 
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